Wird eine Wohnung gemietet, so ist zunächst davon auszugehen, dass alle dazugehörigen Innenräume sowie gegebenenfalls auch ein Balkon oder eine Terrasse mitumfasst sind. Doch kann der Mietvertrag auch Abweichendes vorsehen? Was, wenn der Balkon, die Loggia oder Terrasse nicht im Vertragstext erwähnt werden?

Was ist ausschlaggebend?

Genau darum ging es in einem Fall, mit welchem sich der Oberste Gerichtshof (OGH) vor Kurzem befasste. Aus der Entscheidung geht hervor, dass es stets auf die Vertragsauslegung im Einzelfall ankommt und auch die konkret gegebenen Umstände mitberücksichtigt werden müssen. So ist beispielsweise ausschlaggebend, ob und wie ein Balkon bzw. eine Loggia erreichbar sind – es also einen speziellen Zugang (nur) von der Mietwohnung aus gibt, oder nicht. Daneben kann der Mietvertrag auch eine spezielle Vereinbarung hinsichtlich des erwünschten oder unerwünschten Betretens solcher Bereiche enthalten.

§ 17 Absatz 2 MRG hier irrelevant

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch auch § 17 Absatz 2 letzter Satz Mietrechtsgesetz (MRG), wonach eine „Loggia“ unter der Voraussetzung ihrer Integration in den Baukörper für die Berechnung der Nutzfläche in bestimmten Fällen relevant sein kann. Geht es jedoch nicht um die Berechnung der Nutzfläche des Mietgegenstands, sondern um die Frage, ob die jeweilige Loggia mitvermietet wurde, ist die genannte Bestimmung nach Ansicht des OGH nicht weiter von Relevanz.

Wesentlicher Geschäftsirrtum?

Ob es sich bei der Nichteinbeziehung eines Balkons oder einer Loggia in den Mietvertrag um einen wesentlichen Geschäftsirrtums handelt, ist nach den Irrtumsregeln gemäß § 872 ABGB zu beurteilen. Diese haben den Zweck, jenen Zustand herbeizuführen, der bei irrtumsfreiem Handeln bestünde. Durch die Vertragsanpassung darf den Parteien kein Vertrag aufgezwungen werden, den sie nie abgeschlossen hätten. Die Anpassung des Vertrags nach § 872 ABGB setzt daher voraus, dass auch der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereit gewesen wäre, den Vertrag zu den Bedingungen abzuschließen, an die der Irrende nunmehr den Vertrag angepasst wissen will. Wenn feststeht, dass der Vermieter einen gewissen Bereich nie vermieten wollte und daher „bewusst“ nicht in den Mietvertrag aufgenommen hat, so kann selbst eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung im Weg der Vertragsanpassung nicht zum gewünschten Benützungsrecht führen.

Sittenwidrigkeit?

Hinsichtlich der Frage, ob es vielleicht sittenwidrig sein könnte, die Vermietung auf Innenräume zu beschränken, muss ebenfalls im Einzelfall beurteilt werden. Es kommt darauf an, ob nach dem Gesamteindruck der Vereinbarung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen vorliegt.

Zuletzt führt der Gerichtshof noch aus, dass ein Mieter nicht zur Ausdehnung der ihm eingeräumten Bestandrechte berechtigt ist, sodass er Veränderungen des Umfangs des Mietgegenstands nicht einseitig herbeiführen kann. So greift auch die Zustimmungsfiktion des § 9 MRG nicht, wenn die geplante Veränderung als „Ausweitung der Mietrechte“ zu subsumieren ist (veröffentlicht in OGH, 10 Ob 4/21t).

 

Fazit: Für die Frage, ob eine Loggia, ein Balkon oder eine Terrasse „mitvermietet“ wurde, kommt es auf den Vertragstext sowie die konkreten Umstände im Einzelfall an. Dabei ist § 17 Absatz 2 MRG irrelevant und auch über die Irrtumsregeln kann der gewünschte Zustand nicht erreicht werden, wenn der Vermieter den jeweiligen Bereich bewusst nicht in den Mietvertrag aufgenommen hat. Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen hinsichtlich des „Umfangs“ Ihres Mietvertrags, denn selbst bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist eine Einzelfallentscheidung zu fällen. Grundsätzlich können Veränderungen des Umfangs des Mietgegenstandes nicht ohne weiteres einseitig herbeigeführt werden.

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