Eigenbedarf ist ein Kündigungsgrund des Vermieters nach dem Mietrechtsgesetz (MRG). Doch wie verhält es sich, wenn sich herausstellt, dass der Eigenbedarf schon beim Erwerb der vermieteten Wohnung bestand? Schließt das das Selbstverschulden des Vermieters eine Eigenbedarfskündigung von vornherein aus oder sind gewisse Kriterien zu beachten? Falls ja, welche?

Selbstverschulden?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) betonte unlängst in einer Entscheidung, dass der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs im Sinne des MRG nicht herangezogen werden kann, wenn der vom Vermieter geltend gemachte Eigenbedarf selbst verschuldet ist. Der Erwerb eines vermieteten Hauses bzw. einer vermieteten Eigentumswohnung begründet bei bestehendem Eigenbedarf aber nicht schon per se ein die Kündigung ausschließendes Selbstverschulden des Vermieters. Der Gerichtshof führt beispielhaft an, dass ein selbstverschuldeter Eigenbedarf nur dann zu bejahen wäre, wenn der Vermieter um die ihm seinerzeit zur Verfügung gestandenen Mittel unter zumutbaren Bedingungen und Verhältnissen in der näheren oder weiteren Umgebung seines derzeitigen Wohnorts eine ausreichend große Eigentumswohnung hätte erwerben können. Dafür trifft aber den Mieter die Behauptungs- und Beweislast.

Interessensabwägung

Es ist nicht ausreichend, darzulegen, dass der Vermieter es unterlassen hat, sich eine andere Wohnmöglichkeit zu suchen, obwohl ihm dies aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse möglich gewesen wäre. Auf die Möglichkeit, zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnung zu mieten, kann der Vermieter nach der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen verwiesen werden.

Wurde der aufgekündigte Vertrag vor Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossen, so hat nach Ansicht des Höchstgerichts eine Interessenabwägung zu erfolgen. Dabei sind die beiderseitigen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse gegenüberzustellen, wobei neben materiellen auch gesundheitlichen Umständen zu berücksichtigen sind. Zu beachten ist dabei auch, dass gesundheitliche Interessen in der Regel schwerer wiegen als bloß wirtschaftliche Aspekte. Insbesondere das Alter der Parteien, deren Berufsausbildung sowie möglicherweise eine prekäre Wohnsituation des Vermieters sind miteinzubeziehen. Keine adäquate Wohnversorgung und die Gefahr der Obdachlosigkeit sind anzunehmen, wenn dieser z.B. zeitweilig in einem Zelt nächtigt. Dieser Aspekt wiegt besonders schwer, wobei es vorrangig um die Frage geht, ob dem Vermieter bei Aufrechterhaltung des Mietvertrags ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwachsen würde, als dem Mieter aus der Kündigung (veröffentlicht in OGH 5 Ob 136/20s).

Fazit: Dass der Eigenbedarf des Vermieters schon beim Erwerb der vermieteten Wohnung bestand, schließt eine Eigenbedarfskündigung nicht von vornherein aus. Ein die Kündigung ausschließendes Selbstverschulden kann aus diesem Umstand nur dann abgeleitet werden, wenn es dem Vermieter möglich und zumutbar gewesen wäre, mit den damals verfügbaren Mitteln in der weiteren Umgebung eine ausreichend große leerstehende Wohnung zu erwerben. Dafür trifft den gekündigten Mieter die Behauptungs- und Beweislast. Gerne beraten wir Sie bei mietrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang, denn sollte der Mietvertrag vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossen worden sein, setzt die Kündigung wegen Eigenbedarfs des Wohnungseigentümers eine Interessenabwägung voraus, wobei hier gesundheitliche Interessen den wirtschaftlichen vorgehen.

 

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