Zur Offenkundigkeit von Dienstbarkeiten bzw. Servituten gibt es schon eine Reihe von Entscheidungen, doch die Thematik bietet immer noch Konfliktpotenzial. Ob und inwieweit ist eine Dienstbarkeit bzw. Servitut offenkundig, was ist überhaupt wesentlich für die Beurteilung der Offenkundigkeit und inwiefern bestehen Nachforschungspflichten, wenn diese nicht im Grundbuch eingetragen war oder Zweifel an der Übereinstimmung von Sachverhalt und Grundbuchsstand bestehen?

Voraussetzungen

Grundsätzlich kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, nicht zum Nachteil gereicht werden. Lastenfreier Erwerb von nicht verbücherten ersessenen oder vertraglich vereinbarten Servituten ist aber nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren, vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen. Bei Offenkundigkeit der Dienstbarkeit ist Gutgläubigkeit zu verneinen.

Worauf kommt es an?

Für die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit ist wesentlich, ob man, vom dienenden Grundstück aus betrachtet, bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer (bestimmten) Dienstbarkeit vermuten lassen. Bedenken über die Vollständigkeit des Grundbuchstands können sich aus der Natur ergeben, wenn Spuren auf dem Grundstück oder sichtbare Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorgefunden werden, die ihrem Zweck nach das „Dienen“ des Grundstücks offenkundig erkennen und daher das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen. Dann müssen auch Nachforschungen vorgenommen werden. Woraus sich die Offenkundigkeit für den Erwerber ergibt bzw. aus welchen Umständen sich für diesen eine Pflicht zur Nachforschung ergibt, hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Bestehen der Servitut beruft. Die Beantwortung von Fragen zum Bestehen und zum Umfang der Nachforschungspflicht ist einzelfallbezogen.

OGH zur Offenkundigkeit und Nachforschungspflicht

All das lässt sich aus bereits ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) entnehmen, der auch unlängst wieder mit dieser Thematik zu tun hatte. Die aktuelle Entscheidung behandelt die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit, die sich an der Grundgrenze zwischen zwei Liegenschaften befand. Da die Dienstbarkeit im Grundbuch einverleibt war und auch ein Blick in die Urkundensammlung keine Zweifel aufkommen ließ, wurde die Offenkundigkeit in diesem Fall verneint. Nach Ansicht des OGH lag auch keine Verletzung der Nachschaupflicht vor, weil sich alles mit der Verbücherung der Dienstbarkeit erklären ließ. Außerdem betonte der Gerichtshof, dass die Sorgfaltspflichten auch nicht überspannt werden dürfen. Jedenfalls ist einem Erwerber zweifelsfrei kein Vorwurf zu unterlassenen Nachforschungen zu machen, wenn sich die von ihm wahrgenommene (oder erkennbare) Einrichtung mit einer (anderen) verbücherten Last in Übereinstimmung bringen lässt, oder sich alles mit einem verbücherten Recht erklären lassen (veröffentlicht in OGH, 1 Ob 32/21v).

Fazit: Für die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit ist wesentlich, ob man – vom dienenden Grundstück aus betrachtet – bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer (bestimmten) Dienstbarkeit vermuten lassen. Im Zweifelsfall müssen Nachforschungen vorgenommen werden. Die Beantwortung von Fragen zum Bestehen und zum Umfang der Nachforschungspflicht ist einzelfallbezogen, darf aber nicht überspannt werden. Dazu könnte unserer Ansicht nach z.B. gefragt werden, ob und inwiefern Nachforschungen auch in anderen Bereichen des Zivilrechts zu Recht als unzumutbar angesehen würden.

 

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